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Leben auf der Farmin Idaho

Muh, muh − 3. Mai 2005, heute geht’s zu Chris und Penny Mettler in New Plymouth, Idaho. Die Fahrt führt uns quer durch den Staat von Idaho. Einzige Abwechslung zur Fahrt auf dem Highway bieten die Tankstellenstopps. Kurz vor Einbruch der Dunkelheit erreichen wir die Farm von Chris, einementfernten Verwandten von Markus. Er und seine Frau betreiben eine Milchfarm mit rund 800 Kühen, wovon 400 täglich zweimal gemolken werden. Dies geht natürlich nicht mehr von Hand. Die Melkmaschinen sind fast rund um die Uhr in Betrieb und alles muss rund laufen, um die täglich anstehenden Arbeiten alle bewältigen zu können. Bei so vielen Kühen handelt es sich logischerweise um eine Massenabfertigung. Anstatt Namen tragen die Tiere eine Nummer. Über diese werden im Computersystem alle relevanten Daten (Alter, Milchmenge, Kälber,...) der Kuh erfasstund stehen für Auswertungen stets zur Verfügung. Fällt eine Kuh durch ungenügende Milchleistung auf, landet sie früher oder später bei McDonalds. Natürlich fressen soviel Tiere auch eine ganze Menge. Um nicht alles Futter teuer zukaufen zu müssen, bauen Chris und Penny einen Grossteil selber an.

 

«Frauenarzt» − Am Mittwoch Morgen schaut der Tierarzt für die monatliche Kontrolle vorbei. Mit langen Plastikhandschuhen bestückt, führt er seinen Arm durch den «Hintereingang» in die Kuh ein und schaut, ob sie schwanger, geschlechtsreif und gesund ist. Auf diesen Job verzichten wir beide gern :-) Für Chris und Penny sind diese Informationen aber enorm wichtig. Nebst der Milchproduktion ist ein starker, gesunder Nachwuchs ebenfalls bedeutsam.

Beim gemeinsamen Mittagessen erzählt der Tierarzt, dass er selbst auch eine Diary Farm hat. Diesen Sommer will er mit seiner Familie und seinen Kühen nach Wisconsin zügeln, wo er aufgewachsen ist und wo das Farmland noch etwas billiger ist. Trotzdem ist es ein absolut verrückter Plan! Man stelle sich vor, all die Kühe werden in über 20 Lastwagen verladen und danach praktisch nonstop durchs halbe Land gefahren. Für die Tiere stellen diese Strapazen ein Risiko dar, welches nicht zu unterschätzen ist. Es ist aber anscheinend schwierig, gute Milchkühe zu finden und daher will er seine bewährte «Crew» mitnehmen. Chris gibt ihm ein paar gute Tipps aus eigener Erfahrung. Er führte nämlich früher einen Hof im Staat Washington bevor er nach Idaho umzog.

 

Industriebetrieb − Am Nachmittag nimmt uns Chris zu einer anderen noch grösseren Farm mit. Hier werden bereits 800 Kühe gemolken und trotzdem wollen die Besitzer noch ausbauen. Das Ziel liegt bei 1’600 Milchkühen! Um diese Quantität abfertigen zu können, brauchen es eine spezielle Melkmaschine. Es handelt sich dabei um eine Art Karussell mit 40 Unterteilungen. Dieses dreht sich langsam im Gegenuhrzeigersinn. Die Kühe gelangen via ein Trichtersystem zum Karussell. Jeweils die vorderste Kuh tritt nun in das vorbeikommende leere Abteil. Ein Angestellter, meist ein Mexikaner, hängt den Kühen die Melkmaschinen an. Während sich das Karussell langsam dreht, werden die Kühe gemolken. Sobald bei einer Kuh keine Milch mehr fliesst, lösen sich die Melkschläuche automatisch. Nach einer Runde öffnet sich das Abteil und die soeben gemolkene Kuh kann ihren «Käfig» wieder verlassen. Das jetzt freie Abteil wird nur wenige Sekunden später von einer anderen Kuh besetzt. Auf dieser Farm werden die Kühe dreimal am Tag gemolken und sie kennen den Ablauf inzwischen genau.

Bei Farmen wie jener von Chris oder der soeben besuchten,handelt es sich um eigentliche Industriebetriebe. Sie gehören zwar im nationalen Vergleich nicht zu den grössten, aber einziges Ziel ist esmöglichst viel Milch zu gewinnen. Auch in der Landwirtschaft ist inzwischen die Grösse überlebeswichtig. Die Preise für Milch lassen etwas anderes kaum mehr zu und dafür sind letzten Endes wir als Konsumenten verantwortlich, da wir vor allem billige Produkte wollen.

 

OK I got over the hill, so what do I win? − Bevor wir in Chris grossem Pick-Up zur Farm zurückkehren, machen wir einen Abstecher nach Ontario, welches bereits im Nachbarstaat Oregon liegt. Hier finden wir einen passenden Aufkleber für Nanuq − «OK I got over the hill, so what do I win?». Hoffentlich finden die Autofahrer hinter uns diesen Spruch auch witzig ;-).

 

Easy rider − Chris grosse Leidenschaft ist das Töfffahren und sein ganzer Stolz sind zwei Harleys. Eine kleine Spritzfahrt gefällig? Schon rattert der Motor und Lulu (und in einer zweiten Runde auch Markus) braust mit Chris davon. Ohne Helm und Anzug bei 90 mph (145 km/h)!! Gut sehen dies unsere Mütter nicht :-)

 

Friss oder stirb − Zum Nachtessen, bei welchem auch Penny’s Sohn Jeremy, dessen Frau Monica und deren Kinder Jordan und Sydney dabei sind, gibt’s Spaghetti Bolognese, frische Spargeln, Cheesebread und Resten vom Vortag. Penny ist eine ausgezeichnete Köchin und man wird bei ihr sicher nie hungern!

Beim Basketballspiel mit Austin (Penny’s Grosskind, welches auch auf der Farm wohnt) und Jordan kann Markus wieder ein paar Kalorien abbauen. Bei den Frauen dreht sich derweil alles um den Abwasch, Klatsch und Tratsch und Modeheftchen. Eigentlich nicht Lulu's Welt (vom Klatsch und Tratsch abgesehen :-) aber zwischendurch macht diese klischeehafte Rollenverteilung auch Spass.

Später versuchen wir uns beide auf dem 4-wheeler (ATV). Lulu meint: «Uf äm Töff hingerdruf höckä isch bedütend eifacher!! :-)» So elegant wie Chris bekommen wir das ATV fahren jedenfalls nicht hin. Er bevorzugt es nämlich kniend durch die Gegend zu kurven.

 

Kein Platz für Männer − Die Zeit auf der Farm ist sehr interessant, auch wenn uns die Tiere manchmal leid tun. Zum Beispiel jenes Kälbchen, dass in der Nacht geboren wurde und am anderen Morgen bereits abgeholt wird. Es ist ein Bulle und für diese gibt es auf einer Milchfarm keinen Platz. Also geht’s weg von der Mutter auf eine andere Farm, wo er gefüttert wird, bis er gross genug ist, um geschlachtet zu werden. Brutal, aber that’s business!